Missing Limb
h13Performance/Installation lower austria contemporary 2013,
Jacques Lacan HOMMELETTE Fallstudie Reinhold Messner Reinhold Messner betritt als 5-Jähriger, an einem schönen Sommertag im Jahr 1948 um die Mittagszeit, den dunklen Hausflur des elterlichen Bauernhauses im Vilnößtal in Südtirol. Barfuß und mit einer braunen Lederhose bekleidet, läuft er den dunklen Flur entlang. Die Szene könnte aus einem der düster-atmosphärischen Filme Andrej Tarkovskys enstammen . Plötzlich bleibt Reinhold vor einer alten braunen Bauerntruhe stehen und dreht sich nach links. Er blickt in den großen Spiegel an der Wand, hinter ihm die Truhe. Zufälligerweise entspricht das Braun der Hose bis ins kleinste Detail dem Braun der Truhe. Im Dunkel des Raumes verswimmen die Konturen zwischen Beinen und Truhe. Nur sein Hemd und die kleinen weißen Füße leuchten fahl aus dem Dunkel. Reinholds Blick wandert abwechselnd hintunter zu seinen Füßen und wieder in den Spiegel. Er sieht seine Beine nicht mehr und es ist ihm als würde er – ganz Oberkörper – über seinen Füßen schweben, die nun nicht mehr seine sind. Er hat plötzlich kein Gefühl mehr in den Füßen, fühlt sie nicht mehr als zu sich gehörig. Er bekommt Panik und Angstgefühle. Gleichzeitig verspührt er aber ein warmes „Kribbeln“ im Bauch und am Rücken. Er bekommt seine erste bewußte Erektion. Noch im gleichen Sommer nimmt ihn sein Vater, von Beruf Mesner in Vilnöß, mit zu seiner ersten Bergtour. In der Anstrengung, im permanenten Steigen spürt er plötzlich seine Füße wieder intensiver, die Angst um ihren Verlust verschwindet, er fühlt sich ganz eins mit seinem Körperzuhause. Von nun an ist er ein Getriebener, die angenehmen Gefühle totaler körperlicher Selbstidentifikation halten nach der Tour für mehrere Tage an, doch eines Nachts schreckt er von seinem Bett auf und berührt panikartig seine Füße, wieder spürt er sie nicht mehr. Der Kreislauf beginnt wieder von Neuem. Die Touren werden länger, er wird älter, er besteigt weltweit die höchsten Berge. Das Oszillieren zwischen Verlustangst sowie körperlichen Auflösungserscheinungen und dem immer wieder erneut auftretenden Gefühl der totalen Selbstidentifikation mit dem eigenen Körperzuhausewährend den Anstrengungen des Bergsteigens, kann als der wesentliche Motor, die wesentliche Triebfeder hinter Messners Verhalten gesehen werden. Zurück im Basislager fühlt sich Messner ganz eins mit seinem Körper. Auf der body-awareness-Skala durchaus mit der Höchststufe 10 beurteilbar. Doch dieses Glücksgefühl wird nicht lange andauern. Spätestens nach ein paar Wochen treten wieder erste psychosomatische Symtome auf, Störungen der Körperwahrnehmung, Angst, Panik. Also muss wieder die nächste 8000er-Tour angegangen werden. Immer wieder folgte R. Messner dem Kreislauf zwischen Angst vor der körperlichen Selbstauflösung, die ihn zur körperlichen Anstrengung in den Bergen trieb, und dem körperlich-geistigen Einheitsgefühl danach. Selbst als er alle 14 8000m-Gipfel der Welt bestiegen hatte, blieb dieses Gefühl des Mangels bestehen. An diesem Schlusspunkt der Performance befinden wir uns wieder in der Gegenwart. Messner ist alt geworden, wird aber immer noch vom Gefühl der Angst bestimmt, seine Füße zu verlieren. Ich spiele nun R. Messner, seit geraumer Zeit interessiert er sich nun auch für Kultur und zeitgenössische Kunst. Er geht viel in die Ausstellungen der großen Museen der Welt, um auch weiterhin seine Füße zu spüren. Eines Tages kommt Messner auch zufällig in den Kunstraum Niederösterreich und erblickt diese Arbeit des jungen Künstlers Peter Fritzenwallner, eine mit Körperteilen durchsetzte Wand. Der Anblick dieser Arbeit kommt ihm seltsam bekannt vor, als kenne er sie schon seit Jahren. Plötzlich durchfährt ein warmes Kribbeln seinen Körper und er spürt seine Füße wie nie zuvor. Jeder Anflug von Angst ist verschwunden. Messner ist begeistert und geht nun auf den jungen Künstler zu – (hierwird der junge Künstler von einer Ausstellungsbesucherin gespielt, ich spiele Messner)- Messner fragt den jungen Künstler, wieviel die Arbeit denn koste, „der junge Künstler“ antwortet: 90000 Euro. Messner kauft die Arbeit sofort. Messner ist therapiert und erlöst.
Jacques Lacan’s
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